Zu einem wichtigen Forschungsgebiet der Medizinwissenschaften zählt der sogenannte mTOR-Pfad. Der Kurzname des 1994 entdeckten Eiweißkörpers mTOR steht für die englische Bezeichnung Mammalian Target Of Rapamycin – im sperrigen deutsch: “Ziel des Rapamycin bei Säugetieren”. Wie der Name nahelegt, ist seine Geschichte eng verknüpft mit der Erforschung des Wirkstoffs Rapamycin.
Entdeckungsort Rapa Nui
Rapamycin ist ein bakterielles Produkt, das in Bodenproben enthalten war, die man 1965 auf der Suche nach antifungalen Substanzen auf der Osterinsel (indonesisch: Rapa Nui) entnommen hatte. Aus diesen Proben hatte 1972 eine Gruppe um den Wissenschaftler Surendra Nath Sehgal ein Molekül aus dem Bodenbakterium Streptomyces hygroscopicus isoliert, und eine starke antimykotische (antifungale) Aktivität festgestellt. Bald stellte sich jedoch heraus, dass dieser Stoff auch immunsuppressive und zytostatische (zellwachstumshemmende) Eigenschaften aufwies.
Über die zugrundeliegende Wirkungsweise hatte man anfangs noch wenig Vorstellungen. Bis man 1994 entdeckte, dass Rapamycin an einen bestimmten Eiweißkomplex in der Zelle andockte. Aber auch da blieb zunächst rätselhaft, was dieser Eiweißkomplex eigentlich sonst noch für eine Funktion hatte, außer eben dass er als Andockstelle für das 30 Jahre zuvor entdeckte Rapamycin fungierte. Daher nannte man dieses Eiweiß-Enzym etwas einfallslos “mTOR“, mammalian Target Of Rapamycin (zu deutsch in etwa: Ziel des Rapamycin in Säugern).
Später entdeckte man, dass Rapamycin die mTOR-Aktivität mindert. In weiterer Folge stellte man fest, dass sich trotz der immunsuppressiven Wirkung von Rapamycin auch eine Wirkung gegen bestimmte Tumore und andere Krankheitsbilder nachweisen ließ. Danach wurde es sogar als lebensverlängerndes Anti-Aging Mittel gehypt. Das scheint alles irgendwie nicht zusammenzupassen, immunsuppressiv und gleichzeitig bestimmte Tumore bekämpfend? Jedenfalls scheint heute klar zu sein, dass die Wirkungsweise des Rapamycins auf die Hemmung des mTOR-Signalwegs zurückzuführen ist und mTOR eine wesentliche Schlüsselstelle im Körper darstellt, ohne die die Energieverwertung und Regulierung der Energie gar nicht denkbar ist.
Die Osterinsel ist uns allen ja für diese riesigen einzigartigen Steinskulpturen bekannt. Dass sie anscheinend auch einzigartig für das Vorkommen bestimmter Moleküle sind, wird selten erwähnt.

Eine Gedenktafel auf der Osterinsel erinnert an die Entdeckung des Rapamycin.
Seit einiger Zeit wird Rapamycin als das Anti-Aging-Mittel schlechthin gehandelt, für das einige erprobte Einsatzgebiete gibt. Angesichts erfolgversprechender Resultate manch klinischer Studie, zum Teil auch bei sehr schwerwiegenden Erkrankungen, mag man sich die Frage stellen, warum seine therapeutischen Anwendungsgebiete nicht noch viel mehr erforscht werden. Die Antwort scheint leider banal. Rapamycin lässt sich nicht mehr patentieren. Daher haben Pharmaunternehmen kein Interesse, Geld in die Erforschung dieses Wirkstoffes zu investieren. Diese Feststellung trifft eines der renommiertesten Wissenschaftsmagazine Nature im Jahr 2014.
Sehr vieles dazu liegt also noch im Dunkel. mTOR wirkt in verschiedenen wichtigen Signalwegen (Complex 1 MTORC1 und Complex 2 MTORC2) und die Hemmung oder Aktivierung des jeweiligen Complexes bedingt wohl auch verschiedene Auswirkungen. Und was die Beeinflussung des zweiten Signalwegs (MTORC2) betrifft, steckt die Forschung überhaupt noch in den Kinderschuhen.